Die letzten Tage auf Haiti waren randvoll mit Eindrücken und Terminen. Und da der Verkehr hier ein echtes Problem darstellt, war es schwer, alles zu schildern, weil man immer zu spät beim nächsten Treffen ist.
Was mir heute früh noch einmal durch den Kopf ging: Haiti ist ein einerseits wunderschönes, aber auch erschreckendes Land. Es wird ein paar Tage dauern, alles zu sortieren. Wobei wohl stimmt, was man mir hier mehrfach gesagt hat: Wirklich verstehen kann man dieses Land nicht. Zumindest nicht, wenn man hier nicht geboren ist. Das allerdings macht es sehr spannend.
Die Fahrt vom Flughafen in Port au Prince zum Hotel ist ein Kulturschock. War der Zwischenstopp auf dem Airport von Panama City nach ein paar Tagen in Havanna schon wie die Ankunft in einer neuen, alten Welt - allein die Masse an Geschäften mit Mode und Elektronikartikeln! Seltsam, wie Konsum auf einmal bekannt und fremd wirken kann - gleicht die Fahrt durch die haitianische Hauptstadt kaum etwas, das ich bisher gesehen habe. Während sich uns Bus die schlaglöcherige Straße immer weiter nach oben in die besseren Teile der Stadt fährt, ziehen an uns vor allem Mauern vorbei. Mauern, auf denen Stacheldraht und Glasscherben klar machen, dass hier niemand ungebetenen Besuch will. Wobei Haiti die geringste Verbrechensrate aller Karibik-Staaten hat (außer Kuba). Weiter unten, in den schlechteren Vierteln der Stadt, sind diese Mauern teilweise eingestürzt, ebenso wie die Gebäude dahinter. Es wirkt alles, wie eine große Baustelle, und das ist es ja irgendwie auch. Wobei man mir sagt, dass das Erdbeben daran nur zum Teil Schuld ist. Haiti war schließlich schon vor 2010 das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Und das wird es wohl auch noch eine Zeit lang bleiben.
Heute geht es in den größten Slum der Stadt. Ich bin sehr gespannt, was mich erwartet.
Okay, vielleicht bin ich naiv. Aber ich war dann doch überrascht, als unsere Ansprechpartner vor Ort hier in Havanna mir erzählten, dass eines der schwierigen Dinge bei der Eingewöhnung für sie aus Kuba war, dass dieses Internet hier so etwas wie ein Novum ist. Man hat davon gehört, und ja, es gibt Internetzugang, zum Beispiel für Professoren in der Uni. Aber so allgemeiner Zugang ins Netz? Fehlanzeige. Ich habe das eher für eine Schauergeschichte gehalten. Bis ich versuchte, hier zu arbeiten.
Kein Wlan im Hotel. Na okay. Aber kein Internet per Mobilfunkverbindung? Cubatel lässt mich telefonieren (für viel Geld) und SMS schreiben (ja, SMS. Für nicht ganz so viel Geld, aber teuer ist es trotzdem). Aber Cubatel mag nicht, dass ich ins Netz gehe.
Ich muss es gestehen: Ich bin ein Smartphone-Junkie. Und wenn ich auch erst vor dieser Reise mir einen eigenen Twitter-Account zugelegt habe (@CKucznierz), so heißt das nicht, dass ich nicht dauernd irgendwie online bin. Und hier jetzt also ist Funkstille.
Na gut, es gibt Auswege. Das große Hotel um die Ecke bietet Wlan in der Lobby. Die Stunde für 10 Euro. Besser als nichts. Sonst könnten diese Zeilen gar nicht entstehen. Aber es wird ziemlich interessant für mich, ohne Mails, Facebook und den Nachrichtenstream auf Twitter (gelesen und über @mz_pol genutzt habe ich Twitter schon lange) und ohne mal schnell was nachgucken zu können die Tage hier zu verbringen.
Wobei: Hat ja mal irgendwas. So informationelle Unselbstbstimmung. Schießlich ist Kuba ja auch kein freies Land...
Haiti ist nach Definition der Vereinten Nationen einer von 51 Staaten, die unter dem Begriff SIDS (Small Island Developing States, kleine Insel- Entwicklungsstaaten) zusammengefasst werden. Auch die Nachbarinsel Kuba gehört dazu. Alle SIDS sind unterschiedlich, aber sie eint eines: ihre Verletzbarkeit. Der Klimawandel bedroht sie auf unterschiedliche Arten, ebenso wie Naturkatastrophen. Auch ihre sozioökonomischen Verhältnisse sind vergleichbar.
Von heute an bin ich mit einer Gruppe deutscher Journalisten auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) für 10 Tage in beiden Ländern auf Recherche und werde meine Eindrücke an dieser Stelle immer wieder schildern.